Iriyas Himmel, Sommer der UFOs Analyse

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Analyse

Bei den zahlreichen Anime-Szenarien, in welchen jugendliche ‚Helden‘ durch den Kampf auf Leben und Tod ‚die Menschheit retten‘ sollen, stellt sich eine Frage immer wieder: Warum tun diese Kinder das überhaupt? Eine ‚Erklärung‘ a la Sailor Moon ("Weil die sprechende Katze mir gesagt hat, ich soll für Liebe und Gerechtigkeit kämpfen") ist für ein anspruchsvolles Publikum letzten Endes nicht zufriedenstellend. Iriya no Sora, UFO no Natsu widmet sich dieser Frage in einer Intensität, welche diese Serie von allen anderen mir bekannten Animes abhebt.

Während das Szenario von Iriya no Sora, UFO no Natsu am ehesten demjenigen von Saishuu Heiki Kanojo ähnelt, unterscheiden sich die Geschichten dieser beiden Serien fundamental:

  • Saishuu Heiki Kanojo lebt von seinen Charakteren. Die Erzählung konzentriert sich auf die beiden Kinder und die Auswirkungen, welche die Ereignisse auf diese haben – ohne letzten Endes irgendwelche Erklärungen dafür zu liefern, warum all die angegebenen Ereignisse überhaupt statt gefunden haben. Die eigentlich handelnden Personen bleiben verborgen bzw. ihre Motivationen werden nie erklärt.
  • Iriya no Sora, UFO no Natsu hingegen lebt von seiner Geschichte. Hier sind es gerade diese handelnden Personen, die im Mittelpunkt der Geschichte stehen. Für mich sind die Hauptpersonen nicht Iriya und Asaba, sondern Enomoto und Shiina!

In dieser Hinsicht ist Iriya no Sora, UFO no Natsu tatsächlich eher vergleichbar mit Shin Seiki Evangelion. Doch während in Evangelion fast ausschließlich mental gestörte Charaktere agieren und deren Motivation teilweise mit ihrem Unwissen (NERV/SEELE halten die wahren Ziele ihrer Aktionen lange geheim), teilweise mit ihrer Vorgeschichte (SEELE besteht aus religiösen Fanatikern, Yui will unsterblich werden, Gendou will mit Yui wiedervereint werden, Fuyutsuki liebt Yui und erschafft deshalb Rei nach Yuis Unfall, Ritsuko ist Gendou hörig, Misato will Rache für ihren toten Vater, Maya liebt Ritsuko, Makoto liebt Misato, Asuka und Shinji kompensieren mit ihrem Ruhm als Piloten ihre Komplexe, Rei ist kein Mensch) erklärt wird, geht Iriya viel einfacher und gleichzeitig viel brutaler an die Sache heran. Die vermittelte Botschaft lautet: Der Zweck heiligt die Mittel. Dabei legt die Geschichte Wert darauf, Enomoto und Shiina als normale Menschen darzustellen: Enomoto hat früher dieselben Streiche begangen wie Asaba heute, und Shiina erfreut sich an Trivialitäten wie Alkohol-Exzessen oder der Miß-Wahl auf dem Schulfest. Und in Episode 4 haben beide ihre Emotionen gegenüber Asaba nicht im Zaum.

In Iriya no Sora, UFO no Natsu stehen die japanischen Truppen (mal wieder…) kurz vor der Niederlage, und für die letzte verbliebene Pilotin Iriya spielt Loyalität nach dem Tod ihrer Kollegin Erika keine Rolle mehr. Um den Untergang vielleicht noch abzuwenden, muß Enomoto alles tun, um eine neue Motivation für seine ‚ultimative Waffe‘ zu schaffen. Als der Zufall (in Form des Treffens zwischen Iriya und Asaba am Schwimmbecken) ihm in die Karten spielt, erkennt er seine Chance und zieht seinen Plan, Asaba als ‚Schoßhündchen‘ für Iriya aufzubauen (Enomoto sagt auf dem Dach des Clubhauses kurz vor dem ‚Volkstanz‘ durchaus die Wahrheit mit den Worten "Du hast eine große Last von meinen Schultern genommen", auch wenn Asaba nicht versteht, was Enomoto damit tatsächlich gemeint hat!), mit einer erschreckenden Konsequenz durch, ohne auch nur die geringste Rücksicht auf die beiden Kinder zu nehmen (Iriyas rascher körperlicher Verfall ist ja nicht zu übersehen).

Während in Saishuu Heiki Kanojo die beiden Jugendlichen Shuu und Chise am Ende eine abstrakte Art von ‚Sieg‘ erringen (indem Shuu den Untergang der Welt überdauert), sind Iriya und Asaba am Ende der Geschichte die Opfer – und zwar inklusive der abschließenden Konfrontation am Black Manta (in welcher Asaba eigentlich glaubt, Enomoto besiegt zu haben, und doch nur genau das tut, was dieser die ganze Zeit über geplant hatte: Enomoto manipuliert Asaba dazu, unwissentlich Iriya zur Fortsetzung ihres Kampfes zu manipulieren und sie somit zu ‚verheizen‘).

Das Ende der Geschichte liefert wenigstens eine kleine Hoffnung für die Menschlichkeit: Enomoto ist bereit, die Konsequenzen für sein Tun zu tragen und "zur Hölle zu fahren" (bevorzugt von Asabas Hand, doch der Junge kriegt zu Enomotos Enttäuschung nicht mal das hin…), und Shiina ‚beichtet‘ ihre Taten Asaba in ihrem abschließenden Brief (vielleicht in der Hoffnung, von diesem eine Art ‚Absolution‘ erteilt zu bekommen). Beide Hauptcharaktere haben also wenigstens noch ein Unrechtsbewußtsein behalten – ähnlich wie Ikari Gendou, der sich in End of Evangelion am Ende dem Urteil von Yui stellt.

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